Neue Hopfnung

TEIL 1: KEHRWIEDER KREATIVBRAUEREI

Craft Beer ist in Metropolen wie Hamburg fest angekommen: In den Kiosken und Supermärkten reihen sich neben den Platzhirschen junge Wettbewerber, die dem Gaumen mehr bieten als nur den altbekannten Pilsgeschmack, und in immer mehr Kneipen sorgen neue Kreationen oder wiederbelebte Braustile für Abwechslung im Glas. Die Kehrwieder Kreativbrauerei leistete dabei wahre Pionierarbeit. Wir stellen euch die Trendsetter im ersten Teil unserer Serie vor – und verraten, warum ausgerechnet ein alkoholfreies Bier ihr Verkaufsschlager ist.

„Kehrwieder“ – mit diesem alten hanseatischen Abschiedsgruß wurden einst Seereisende daran erinnert, irgendwann in ihre Heimat zurückzukehren. Genau diesem Motto folgten auch Oliver und Julia Wesseloh. Der Diplom-Ingenieur für Brauwesen und seine Frau starteten ihr Auslandabenteuer 2003 auf Dominica, gefolgt von den Kaimaninseln, wo Olli den Bau einer Brauerei überwachte. Es folgten berufliche Stationen in Süd- und Nordamerika. „Bier hat uns an die schönsten Orte getrieben“, sagt Julia.

Den Trend im Gepäck

Insgesamt acht Jahre blieben die Wesselohs im Ausland, bevor es zurück nach Hamburg ging. Einerseits, weil die beiden Töchter eingeschult wurden. Andererseits, weil Olli „das Licht sah“, wie er heute sagt: In Nordamerika kam er in Kontakt mit der Craft-Beer-Szene der USA und klapperte die verschiedenen Brauer ab. Er entdeckte die Vielfalt, der zu diesem Zeitpunkt in seiner Heimat kaum bekannt war – und im Land der eingesessenen Pils-Trinker kein Selbstläufer werden dürfte. Dennoch entschied sich das Ehepaar zur Gründung der Kreativbrauerei in Hamburg – als einer der ersten Vertreter der Szene im Norden.

Was an Startkapital fehlte, machte Olli mit handwerklichem Geschick wett: In Bayern baute er aus ausrangierten Milchtanks eine Brauanlage und lagerte sie in einer Scheune unter, bis er 2014 auf dem Gelände einer ehemaligen Molkerei in Harburg das heutige Zuhause der jungen Firma fand. Zuvor fertigten die Gründungsmitglieder des Vereins „Deutsche Kreativbrauer“ ihr Bier bei befreundeten Unternehmen. Auf Investoren verzichteten die beiden während der ganzen Zeit bewusst, um zu jedem Zeitpunkt die Entscheidungsgewalt in den eigenen Händen zu halten.

Jede Flasche ein neues Geschmackserlebnis

Die Ideen von Chef Olli können sich sehen – oder besser: schmecken – lassen. Von kalt gehopftem Lager, bei dem das Hanfgewächs zusätzlich im Lagertank hinzugefügt wird, über die beliebte Single-Hop-India-Pale-Ale-Serie (SHIPA) mit jeweils unterschiedlichen Hopfensorten und fruchtigen Aromanoten bis hin zu schwerem Porter mit einer leichten Süße bietet die Kehrwieder Kreativbrauerei in Flaschen abgefüllte Geschmackserlebnisse. Neben sechs Standardsorten befinden sich viele weitere Varianten im Umlauf, die je nach Saison angepasst werden. Für den anstehenden Winter bereichern in Whisky- und Weinfässer gelagerte Sondereditionen die Produktpalette.

Der Verkaufsschlager ist hingegen ein alkoholfreies Bier. Was im ersten Moment bei der breiten Auswahl ironisch klingt, lässt sich logisch erklären: Das „überNormalNull“ IPA schmeckt – im Gegensatz zu vielen anderen Null-Prozent-Bieren – wirklich gut. Verantwortlich dafür ist neben der für ein India Pale Ale typischen, starken Hopfenbetonung, eine ganz besondere Hefe, die den Malzzucker nicht vergären lässt. So muss im Unterschied zu anderen Methoden nicht der Gärvorgang künstlich unterbrochen oder der Alkohol im Nachgang entfernt werden.

And the winner is…

Das „überNormalNull“ mundet offensichtlich auch Preisrichtern: Es setzte sich auf internationalen Festivals gleich mehrfach gegen die Konkurrenz durch und fügte sich damit optimal in die Erfolgsgeschichte des jungen Unternehmens ein, das bereits fünfmal zum „Besten Brauer Hamburgs“ ausgezeichnet wurde. 2013 sicherte sich Olli zudem den Titel als Biersommelier-Weltmeister. Fehlt eigentlich nur noch ein Preis für den passendsten Firmennamen.