Erfolgsgeheimnis, Weihnachtslieder

Laute Nacht

DAS GEHEIMNIS VON LAST CHRISTMAS

Für die einen sind Weihnachtssongs die beste Einstimmung auf die Festtage – andere wechseln lieber ganz schnell den Radiosender, noch bevor George Michael und Andrew Ridgeley in bester Herzensbrecher-Manier in die Mikrofone hauchen. 35 Jahre ist es bereits her, dass Wham! das vielleicht größte Weihnachtslied aller Zeiten veröffentlichte. Dabei dürfte „Last Christmas“ gar nicht als solches bezeichnet werden, wie der Musikgutachter Heiko Maus sagt: „Bis auf das Wort ‚Christmas‘ hat das Lied keinen Bezug zu Weihnachten“.

Ironischerweise passt es dadurch umso besser in die heutige Zeit: Weg von den Stücken mit religiösem Hintergrund, hin zu den weltlichen Weihnachtssongs – eine Entwicklung, die Heiko Maus insbesondere bei den Jüngsten feststellt: „Kinder kennen kaum noch christliche Weihnachtslieder.“ Die Ursprünge dieser Umorientierung sind nicht neu und finden sich bereits in den 1930er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Kriegsprotest und Must-haves

Geht man die Texte der bekanntesten Weihnachtssongs durch, findet sich tatsächlich wenig Bezug zur ursprünglich kirchlichen Herkunft der typischen Lieder dieser Jahreszeit. John Lennons „Happy Xmas (War is Over)“ entstand ursprünglich als Zeichen des Protests zum Vietnamkrieg. „Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!“, im Original von Vaughn Monroe eingesungen und dank Frank Sinatra weltberühmt, wurde angeblich im Sommer 1945 geschrieben und geht inhaltlich nicht auf das Weihnachtsfest ein. „Eine der wenigen Ausnahmen ist ‚Mary’s Boy Child‘ von Boney M.“, erklärt der Experte.

Doch was macht einen echten Winter-Hit aus? „Bestimmte Klänge wiederholen sich: Schellen zum Beispiel sollen uns an ‚Jingle Bells‘ erinnern, in dem es um Pferdeschlittenfahrten geht – dabei macht das heute kein Mensch mehr. Doch das Geräusch ist ein Must-have“, lacht Heiko Maus. „Außerdem müssen die Lieder emotional sein, inhaltlich werden meistens Klischees aufgegriffen. Es geht um Liebe, Geschenke, weiße Weihnacht, Geborgenheit oder das Beisammensein wie bei ‚Driving Home for Christmas‘ von Chris Rea.“

„Ein Traum für jeden Komponisten“

Musikalisch wird also altbekanntes neu verpackt und je nach dem aktuellen Musikgeschmack der Masse aufgelegt – und der Markt ist umkämpft: „Es geht für die Künstler darum, viel Geld zu verdienen“, weiß der Hamburger. Kein Wunder, dass Stars wie jüngst Robbie Williams Alben mit aufpolierten Klassikern und frischen Kreationen veröffentlichen. „Paul McCartneys ‚Let It Be‘ wird nicht jedes Jahr zur gleichen Zeit gespielt, ‚Wonderful Christmastime‘ hingegen schon. Das ist ein Traum für jeden Komponisten.“

Die Tantieme, also die Gewinnbeteiligung, für „Last Christmas“ beträgt noch heute rund zehn Millionen Dollar pro Jahr und geht an die Hinterbliebenen von George Michael, aus dessen Feder der Text stammt. Allein auf deutschen Radiosendern läuft der Hit pro Saison rund 500 Mal, seit 1997 ist er jährlich in den Charts zu finden – dabei war dieser Erfolg vor über drei Jahrzehnten nicht absehbar. 1984 kam das Lied in England nicht an „Do They Know It’s Christmas?“ der Band Aid vorbei, während in der Westdeutschland Duran Duran mit „The Wild Boys“ den Ton angaben.

O du Beschäftigungstherapie

Bleibt die Frage, warum wir überhaupt diesen einschlägigen Musikgeschmack rund um die Feiertage inklusive eigener Web-Radiosender und Playlists goutieren – insbesondere, weil wir mittlerweile dank YouTube, Spotify & Co. schier unbegrenzte Möglichkeiten haben. „Wir sind Gewohnheitstiere“, erklärt Heiko Maus, „außerdem ist es auch eine Art Beschäftigungstherapie. Im Sommer sind wir oft im Urlaub und bei gutem Wetter draußen unterwegs. Im Winter müssen wir uns meist drinnen beschäftigen – und beim Plätzchenbacken hören viele eben gern Weihnachtslieder.“

Schreibe einen Kommentar

Schließen
Anmelden
Schließen
Warenkorb (0)

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb. Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.