Schneller, größer, breiter: Um die eigene Muskelmasse abnormal zu erhöhen, greifen laut Schätzungen mindestens 200.000 Deutsche zu Dopingmitteln. Substanzen wie Anabolika sind eine beliebte Abkürzung auf dem Weg zu einem imposanten Körper – und enden nicht selten im Tod. Auch Berend Breitenstein stand vor der Wahl. Der Hamburger entschied sich gegen den schnellen Erfolg, für das Leben – und widmet es seit Jahrzehnten dem Kampf für sauberen Muskelsport, dem Natural Bodybuilding.
Wann ist ein Mann ein Mann? Herbert Grönemeyer stellte bereits 1984 die Grundsatzfrage, über die sich seit Jahrtausenden die Menschen, insbesondere männlicher Natur, streiten. Nimmt man das antike Ideal, das einen definierten Körper vorsieht, dann ist Berend Breitenstein der Prototyp eines Mannes. Auf seinen Fotos vom Training, die Langhantel im Anschlag oder mit künstlich gebräunter Haut und rotem Slip auf der Wettkampf-Bühne, sieht man vor allem eines: Muskeln. Was für eine Erscheinung. Dieser Mensch muss doch überall auffallen, wohin er geht!
Auffällig unauffällig
Als der silberne Kleinwagen auf dem Parkplatz des Gastwerk-Hotels in Hamburg-Bahrenfeld vorfährt, fällt nichts auf. Lediglich das in den Nationalfarben gehaltene Logo des von ihm gegründeten Verbands für sauberen Sport, das an der Seitentür angebracht ist, sticht beim zweiten Blick ins Auge. Das am Steuer ein wahrer Pionier für den fairen Wettkampf sitzt, wissen die Wenigsten – das Los des Nischensportlers ist hart. Als der Fahrer aussteigt, steht da ein normaler Mensch auf dem Parkplatz: keine Bräune, keine Muskelberge, kein Slip.
„Ich trage gerne weite Klamotten, damit fällt man nicht so auf“, sagt Berend ruhig und blickt auf seinen elastischen grauen Pulli herunter. Er spricht überlegt, denkt über seine Worte nach. Das Vorurteil, dass Bodybuilder nichts im Kopf hätten, widerlegt der Hamburger in wenigen Sekunden par excellence. Diese Klarheit ist es vermutlich, die Dopern fehlt: Das Verständnis, dass man an sich arbeiten, im Zweifel auch mal einen unangenehmen Weg gehen muss, um Fortschritte zu machen. Berend wurde bereits mit 15 Jahren gesagt, dass er ohne Doping keine Chance auf den Titel als „Mr. Hamburg Junior“ habe. Er blieb sauber und wurde in seinem ersten Wettkampf im Jahr 1979 Fünfter.
Superkräfte dank Batman
Dass Berend 40 Jahre später diese Geschichte erzählt, hat er Batman zu verdanken. Früher verschlang er die Comics und wollte auch so muskulös sein. Doch wie? In einem Heft wurde der Held mit Fledermausmaske beim Hanteltraining gezeigt, und Berend war klar: Das muss der Schlüssel zum Erfolg sein. Mit 13 Jahren überredet er seine Eltern, ihm eine verstellbare Hantelbank für sein Kinderzimmer zu kaufen. Zwei Kurz- und eine Langhantel, das löste in Berend etwas aus, was noch keine andere Sportart zu bewirken vermochte.
Ein Jahr später tauschte der Nachwuchs-Sportler die Comics mit Muskelmagazinen voller Trainings- und Nahrungstipps. Schnell war klar: Im Kinderzimmer wird man nicht Batman. Gemeinsam mit seinem Vater suchte er ein Fitnessstudio. Eine Odyssee, „die Studiolandschaft sah in den 70ern in Hamburg ja noch ganz anders aus“. Keine 24-Stunden-Gyms an jeder Straßenecke, die mit hochglanz-Flyern werben. Ein Fitness-Center in der Nähe des Hauptbahnhofs öffnete dem Minderjährigen schließlich die Tür zur Sport-Welt, nachdem sein Vater die Verantwortung übernahm.
Lieber erfolglos als tot
Von da an trainierte er seinen Körper jeden Tag an den Geräten. „Das war völlig falsch, denn die Muskeln wachsen nicht während des Trainings, sondern in der Ruhezeit danach“, wie er heute sagt.
Doch das Gefühl des Widerstands der Gewichte machte süchtig. Trotzdem blieb Berend im Gegensatz zu vielen anderen clean und griff nicht zu verbotenen Mitteln. Während manche Pumper mit extremem Nasenbluten, krasser Akne und wahren Aggressions-Schüben die Nachteile von Anabolika und Co. zu spüren bekamen, fand sich Berend mit dem Gedanken ab, nie einen großen sportlichen Erfolg vorweisen zu können.
So folgte nach dem Wettbewerb zu „Mr. Hamburg Junior“ eine Wettkampf-Pause von 16 Jahren. Nach dem Abitur brachte der Wehrdienst einen ersten Knick in die bis dahin stringente Körperentwicklung – der Trainingsrhythmus war gestört, und die Armee nicht besonders bekannt dafür, auf Essgewohnheiten Rücksicht zu nehmen. Nach der Zeit im Bund startete Berend eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann mit der Fachrichtung Reformwaren und studierte anschließend Ökotrophologie.
Wieso ein weiterer Einschnitt in seinem Leben Berend zur Top-Form brachte, seine Eltern ihn für verrückt erklärten und eine unerwartete Begegnung die erfolgreiche Karriere im Natural Bodybuilding auf den Bühnen rund um den Globus ermöglichte, lest ihr im zweiten Teil.