Kurzes Smalltalk-Einmaleins: Bloß keine Gespräche über Religion! Dabei halten die unterschiedlichen Glaubensrichtungen nicht nur Fettnäpfchen bereit, sondern vielmehr spannende Erkenntnisse über Kultur und Historie des Gegenübers. Dass ein Bart und Religion sogar oftmals stark miteinander zusammenhängen, lädt aus unserer Sicht geradezu zum Fachsimpeln unter Bartträgern ein. Ein kleiner Guide zur Gesichtsbehaarung unter den Religionen dieser Welt.
Hier bilden Bart und Religion eine Einheit
Bei einer ganzen Reihe an Glaubensrichtungen sind Bart und Religion eng miteinander verbunden. Sikhs zeigen mit ihren langen Bärten ihren „kesh“, den Respekt vor dem Willen Gottes. Dies ist genauso Merkmal des Glaubens wie das Tragen eines Turbans, der zudem für optische Akzente sorgt. Auch bei den Rastafari, die dem Christentum entsprungenen sind, sind lange Haare und Bärte charakteristisch. Als Verbundenheit zu Gott und der Natur lassen sie die Haare wachsen und setzen auf markante Dreadlocks.
Bekannt sind auch die sogenannten „Pejot“, die Schläfenlocken jüdischer Rabbiner und Gläubiger (links im Bild). In der Thora wird das Abschneiden der Haare unterhalb der Schläfen untersagt. Aber warum? Laut einer Theorie stellt man so den Unterschied zwischen Vorder- und Rückseite des Kopfes bewusst heraus – eine Fähigkeit, die Tiere nicht besitzen. Werden Bart und Haare geschnitten, darf dies nicht mit einem Messer passieren, sondern nur durch eine Schere erfolgen. Deshalb nutzen gläubige Juden auch nur koschere Rasierapparate, die nach dem Prinzip einer Schere funktionieren.
Muslime richten sich nach den Worten ihres Propheten Mohammed. Während im Koran selbst keine Hinweise zum Tragen eines Barts zu finden sind, gibt es im „Hadith“, den überlieferten Sprüchen und Taten Mohammeds, einen Passus über die Körperbehaarung. HafenCity-Salonleiter Behar ist selber praktizierender Muslim und weiß um die Bedeutung: „Wir legen viel Wert darauf, dass der Bart gepflegt ist – genau wie der ganze Körper. Dieser ist ein Geschenk Gottes, dem man nicht schaden soll. Deshalb wird auch verlangt, den Oberlippenbart kürzer zu tragen, da Männer ansonsten ungepflegt aussehen und Bakterien mit sich tragen könnten. Es geht in erster Linie also um Hygiene.“ Über die „richtige“ Länge von Haupt- und Barthaar gibt es unterschiedliche Meinungen und einen regen Austausch der Gelehrten.
Wegen des Glaubens ohne Bart
Für junge buddhistische Mönche kommt es hingegen nicht infrage, sich einen Bart wachsen zu lassen. Mindestens alle zwei Wochen steht die Rasur von Kopf und Gesicht an – ein Zeichen des Verzichts auf Schönheit und der kompletten Hingabe auf dem Weg zur Erleuchtung. Laut Überlieferung war für Religionsbegründer Siddhartha Gautama die Rasur eine der ersten Handlungen, um die wahre Natur menschlichen Glücks zu finden. Nach dieser Maxime enthaaren sich die Mönche noch heute mit größter Gründlichkeit. Einzige Ausnahme sind graue Haare, die weder gefärbt noch ausgezupft werden dürfen: Sie symbolisieren Reife und Vergänglichkeit, die einen hohen Stellenwert im Buddhismus einnehmen.
Gläubige Hindus wachsen bereits mit vielen Ritualen, in denen das Haupthaar geschnitten wird, auf. So erhalten Kinder beim „Chudakarana“ oder auch „Mundana“ im Rahmen einer Zeremonie ihren ersten Haarschnitt und verlieren mit ihren Strähnen laut Überlieferung auch die schlechten Angewohnheiten vorheriger Leben. Beim „Kumbh Mela“, dem größten hinduistischen Fest, leitet oftmals eine Rasur des Haupts das Bad der Pilger ein. Haare gelten in der drittgrößten Religion als Zier, wohingegen ihre Entfernung die Bescheidenheit und Hingabe an die Gottheiten des Hinduismus symbolisiert.
Unentschlossene Christen
Würde es nach dem Heiligen Augustinus gehen, wäre ein Bart bei Männern nicht wegzudenken. Der Bischof bezeichnete bereits im fünften Jahrhundert die Gesichtsbehaarung ein Zeichen für Mut und Kraft. Viele seiner Nachfolger waren hingegen anderer Meinung: Verschiedene britische Erzbischofe untersagten das Tragen eines Bartes oder ließen bärtige Gemeindemitglieder sogar exkommunizieren.
Bei der in den USA verbreiteten Glaubendgemeinschaft der Amischen wird von verheirateten Männern verlangt, eine Schifferkrause zu tragen. Oberlippenbärte stehen allerdings auf den „Amisch-Index“ und werden von den friedliebenden Gläubigern nicht geduldet, da Schnäuzer häufig bei Soldaten zu sehen waren. Wie wichtig die Symbolkraft des Barts bei den Amischen ist, zeigt der Fakt, dass das ungewollte Stutzen der Behaarung als Hassverbrechen gilt.
Ihr seht: Ein Bart und Religion haben mehr gemein als man oftmals vermutet. Warum also nicht beim nächsten Smalltalk mit dem neuen Wissen glänzen? Wer noch mehr Hintergrundwissen über die stilvolle Gesichtsbehaarung sucht, wird mit unseren Tipps zum echten Bart-Experten!