Umgeben von Containern und Industrieunternehmen sorgt Thomas Carstensen auf der Elbinsel Veddel für den guten Ton: Mit seiner Firma fertigt er nach dem Vorbild der Automobilindustrie die hochwertigen Inklang-Lautsprecher für Musik-Liebhaber, die ihresgleichen suchen. Dabei machte der Norddeutsche bis vor wenigen Jahren Karriere im Finanzsektor – bis er Beruf und Leidenschaft tauschte. Ein gewagter Schritt.
Möchte man zu Inklang, sucht man in den schicken Stadtteilen Hamburgs vergeblich. Stattdessen führt der Weg über notdürftig geflickte Straßen auf die industriell geprägte Veddel. Umgeben von rauchenden Schornsteinen und haushohen Container-Türmen werden hier alle Inklang-Lautsprecher in einem alten Backsteinbau endmontiert. „Wenn da nicht die ganzen Container stehen würden, könnte man direkt die Elbe sehen. Das wäre noch schöner“, sagt Thomas zur Begrüßung.
„Die Lautsprecher sind wie Espresso“
Schön sind hier vor allem die fertigen Inklang-Lautsprecher, die in der 300 Quadratmeter großen Manufaktur in Reih und Glied aufgestellt auf ihren Versand warten. Mit einer unaufgeregten Linienführung und Farbgebung strahlen sie ein beruhigendes Understatement aus. Das Smooth-Jazz-Webradio unterstreicht mit sanften Klängen die Atmosphäre in der wohl leisesten Werkstatt Hamburgs. Während vor der Tür knallend Container gestapelt werden, fügt Thomas mit Samthandschuhen die Einzelteile zusammen. Lauter wird es nur, wenn die Espresso-Maschine mal wieder eine kleine Tasse füllt. „Nur drei pro Tag, mehr geht nicht“, lacht er und zieht dabei den rechten Mundwinkel hoch, um gleich wieder ernst zu werden: „Aber gute Espresso, sehr gute sogar. Das ist wie mit den Lautsprechern: Es muss nicht viel sein, sondern vollendet.“
Dass der Mann mit dem Dreitagebart und den dezent zurückgegelten Haaren heute die exklusiven Musikveredler baut, verdankt er seiner Schulzeit in Flensburg. Im Technikunterricht fertigte er als Zwölfjähriger sein erstes Exemplar. Ab sofort sollte ihn diese Passion begleiten, wenn auch nicht beruflich. Als Ausgleich zu dem stressigen Alltag – zur Jahrtausendwende heuerte der gelernte Bankkaufmann in einer Hamburger Privatbank an – baute er in seiner Freizeit zahlreiche Lautsprecher für Freunde und Bekannte und tüftelte dabei immer weiter am perfekten Klang. „Das waren nie große Stückzahlen, ich habe pro Jahr drei, vier Paar gebaut – ohne Druck und immer so, wie Zeit war“, blickt er auf die Anfänge zurück.
Fahrrad statt Limousine
Die Leidenschaft für Musik bekam Thomas von klein auf von seinem Vater vorgelebt, der oft zur Gitarre griff. Eigene melodische Gehversuche am Klavier endeten allerdings jäh an der fehlenden Disziplin, sich die Noten einzuprägen. Also konzentrierte er sich im Hobbykeller darauf, den Sound professioneller Künstler optimal wiederzugeben, während es beruflich nur eine Richtung auf der Karriereleiter gab: Stets nach oben. Nach der Stelle bei der Privatbank folgten die Wechsel zu einem Lebensversicherer und schließlich in das Asset-Management, wo er vier Jahre lang als Geschäftsführer tätig war.
Eine imposante Laufbahn, die sich auch finanziell auszahlte: „Ich fuhr einen Audi A7, hatte 15 Mitarbeiter und ein gutes Gehalt“, wie Thomas heute sagt. Dann schlug in den Jahren 2008 und 2009 die Finanzkrise zu. Das Klima im Unternehmen verschärfte sich, der Druck wurde immer höher, der menschliche Umgang litt merklich. „Da hatte ich irgendwann keine Lust mehr zu“, erinnert er sich – und fasste den Entschluss, Hobby und Beruf zu tauschen. 2013 verabschiedet sich der Vorzeige-Berater von der krisengeschüttelten Finanzbranche, ab sofort hieß es: Fahrrad statt Limousine und unternehmerisches Risiko statt finanzielle Sicherheit.
Doch bis die neue Geschäftsidee mehr als nur ein tollkühner Gedanke ist, vergeht viel Zeit. Bei der Entwicklung des Konzepts bringt das Nordlicht mit den wachen Augen seine Erfahrung aus dem Berufsleben ein: Zuerst kümmert sich Thomas um die vertrieblichen Aspekte, sucht die passende Nische und das Abgrenzungsmerkmal zu anderen Herstellern auf dem Markt – und findet das in der Automobilbranche. Inklang übernimmt als Vorreiter das Build-to-Order-Prinzip, nach dem die Produkte individuell auf Kundenwunsch angefertigt werden. Von der Farbe über spezielle Spikes an den Füßen, unterschiedliche Kabelverkleidungen bis hin zum Anschlussterminal mit eingraviertem Namen des Besitzers wird eine große Bandbreite an Individualisierungsmöglichkeiten geboten.
Wieso der Traum von Thomas beinahe ein jähes Ende erfahren hätte, warum er einen Hamburger Apotheker niemals vergessen wird und welche Rolle Profi-Musiker für die Inklang-Lautsprecher spielen, lest ihr im zweiten Teil.