VOM OLYMPIAHELDEN ZUM GESCHÄFTSFÜHRER – TEIL 2
Fortsetzung – hier geht’s zum ersten Teil.
Moritz Fürste ist einer der erfolgreichsten Hockey-Spieler aller Zeiten. Heute arbeitet der Hamburger erfolgreich an seinem eigenen Sport-Wettkampf – ohne das jemals geplant zu haben.
Versteigert in Indien
Diese Liebe gilt vor allem seinem Heimatverein UHC, der noch heute eine zentrale Anlaufstelle in seinem Leben ist. Zwischenzeitlich lockten die spanische Liga, in der er für den Club de Campo Madrid auflief, sowie die Hockey India League, die exakt in der Winterpause der spanischen Meisterschaft ausgetragen wird. „Das Hauptargument war damals – da habe ich ja nie einen Hehl draus gemacht – dass ich da die Chance gesehen habe, tatsächlich ein bisschen Geld zu verdienen.“ Im Gegensatz zur deutschen Liga, in der die Gehälter eher Aufwandsentschädigungen sind, werden in dem jungen indischen Wettbewerb die Spieler in einem Bietverfahren von Teams ersteigert, wobei das jeweilige Gebot die Gage darstellt. Bei seiner dritten Versteigerung sicherten sich die Kalinga Lancers für den Rekordbetrag von 105.000 US-Dollar die Dienste des Hamburgers. Moritz verfolgte das Fallen des Hammers gemeinsam mit seiner Frau Stephanie zuhause um halb sechs am Morgen im Livestream – und konnte sein Glück kaum fassen.
Ein früher Schicksalsschlag
Dass solche Summen für Fußballspieler Peanuts sind, ärgert ihn nicht: „Diese Energie habe ich gar nicht, da würde ich mich ja den ganzen Tag nur aufregen. Ich halte mich ungern mit Kleinigkeiten auf, die mir nichts bringen. Das habe ich oft im Alltag, da bin ich an vielen Stellen abgestumpft und pragmatisch.“ Ein Grund für diesen Wesenszug ist der frühe Tod seines Vaters Peter, der ihn an den Hockeysport führte und 1994 beim Untergang der Ostseefähre Estonia stirbt. Moritz ist erst neun Jahre alt. „Natürlich ist es schwierig damit umzugehen, wenn man so früh so ein Schicksal erlebt. Was soll da noch groß kommen? Vielleicht ist das der Grund für den Pragmatismus und erklärt, warum ich mich bei vielen Sachen nicht reinsteigern kann. Das spielte eine ganz prägende Rolle in meiner Charakterbildung.“
Nur wenige Tage nach der Trauerfeier steht Moritz wieder auf dem Hockeyplatz und verwandelt einen entscheidenden Siebenmeter, der Sport gibt ihm Halt in der schweren Zeit. Genau wie die familiäre Geschlossenheit: Zu seiner Mutter Nicola, die heute samstags beim UHC den Hockeykindergarten leitet und mit Moritz‘ älteren Tochter Emma über den Platz tobt, während er mit der jüngeren Lotta auf dem Spielplatz alte Mannschaftskollegen trifft, hat er eine enge Bindung. Auch Bruder Jonas, mit dem er gemeinsam auflief, sieht er oft. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich seine „eigene, kleine Familie. Meine Töchter, meine Frau – das ist mein Leben.“
Fitness-Revolution aus Hamburg
Familie und Job unter einen Hut bekommen – das ist für Moritz die große Herausforderung nach der Sport-Karriere. Seit seinem Abschied von der internationalen Hockey-Bühne umfassen die kräftigen Hände in den Büroräumen am Hafen Kugelschreiber statt Schläger. Mit Upsolut Sports hob er vor zwei Jahren den Fitness-Wettbewerb Hyrox aus der Taufe, der sich hauptsächlich an die rund zwölf Millionen Gym-Besucher in Deutschland richtet. Innerhalb von fünf Monaten erarbeitete das Team ein sportliches Konzept mit acht Workouts und acht Laufeinheiten. „Wir haben einen Wettkampf geschaffen, der sehr simpel zu verstehen ist, den jeder schafft und der vor allen Dingen überhaupt kein Verletzungsrisiko birgt.“
In der zweiten Saison stehen insgesamt 14 Events an: Neben acht Veranstaltungen in Deutschland und dem Kräftemessen in Wien soll erstmals der Sprung über den großen Teich in die USA gelingen: „Der amerikanische Markt ist, gerade was den Fitnesssektor angeht, weltweit führend. Außerdem ist das einfach ein Umsatzvolumen-Markt, der nicht zu vergleichen ist mit Deutschland.“ Allerdings ist dieses Potenzial nicht nur den Hyrox-Machern aufgefallen: „Es ist nicht so, dass die alle auf uns gewartet haben und uns die Bude einrennen.“ Neben 15 Mitarbeitern in Hamburg kümmern sich deshalb fünf Angestellte in den Vereinigten Staaten darum, die Sport-Revolution im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nach vorne zu bringen. Das Ziel ist klar definiert: „Wir wollen der erste Trend sein, der aus Deutschland in die USA schwappt.“
Comeback? Nein, danke
Trotz seines neuen Arbeitsalltags bleibt Moritz im Herzen Sportler, rund ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen in Tokio kribbelt es ihm in den Fingern: „Wenn man mich da reinsetzt, würde ich durch das Turnier marschieren!“ Doch wann immer er bislang dieses Verlangen auf eine Rückkehr auf den Platz spürte – „ich habe zwei, drei, vier, fünf Mal wirklich gedacht: ‚Oh fuck, da hättest du jetzt mega Bock drauf!‘“ – folgte immer wieder schnell die Erinnerung an die vielen Trainingseinheiten und der Verzicht auf Freizeit und Familie. Außerdem meldet sich schon wieder der Rücken, die Füße wechseln erneut krachend ihre Position, mittlerweile liegt Moritz fast auf dem Stuhl im Konferenzraum.
Nur bei drei Ausnahmen wird diese entspannte Position verlassen: Als es um die verlorene Abstimmung zur Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 geht, bei der er sich aktiv einbrachte („Olympische Spiele sind magisch, Hamburg verdient sie!“), ein fehlerhafter Feueralarm, der zur Evakuierung des gesamten Bürokomplexes führt und Moritz hektisch den befreundeten Teilhaber vom angrenzenden Fischereihafen Restaurant anruft („Sag mal, brennt es bei euch?“) und als er mitten im Gespräch die Nachricht erhält, dass ein Amazon-Paket nicht geliefert wird („Ich habe die alte Adresse angegeben, Scheiße!“). Irgendwie beruhigt es einen, dass auch der Pragmatiker hin und wieder aus der Reserve gelockt wird – und sei es nur durch Zufälle.