Hahnenkammrennen, Abfahrt, Streif, Ski

Die Streif – das gefährlichste Abfahrtsrennen der Welt

Das Abfahrtsrennen auf der Streif im österreichischen Kitzbühel ist berühmt – und berüchtigt: Auf keiner anderen Strecke im alpinen Weltcup liegen Ruhm und schwerste Verletzungen so dicht beieinander wie auf dem Hahnenkamm. Was bedeutet das für das Medical Team? Wir haben mit dem verantwortlichen Rennarzt Dr. Helmuth Obermoser über die gefährlichsten Abschnitte, Taubergungen mit dem Helikopter und eine Woche Ausnahmezustand in Kitzbühel gesprochen.

Wenn sich das Start-Tor auf einer Höhe von 1.665 Meter über der Adria öffnet, beginnen zwei der aufregendsten Minuten im Leben der alpinen Rennläufer. Und vielleicht die letzten in der aktiven Karriere: Dutzende Athleten verletzten sich auf der wohl gefährlichsten Strecke der Welt so schwer, dass sie nie wieder richtig auf die Beine kamen. Bereits in den ersten drei Sekunden erreichen die Sportler bei einem Gefälle von 50 Prozent rund 60 km/h. Nur Augenblicke später steht mit der „Mausefalle“ der erste Sprung an, bei dem die Teilnehmer bis zu 80 Meter durch die Luft fliegen.

Brennende Oberschenkel garantiert

Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge: Auf einer Länge von 3.312 Metern und insgesamt 860 Höhenmetern wechseln sich Sprünge und scharfe Richtungsänderungen ab, teilweise wirken Kräfte des dreifachen Körpergewichts auf die Abfahrt-Spezialisten. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 103 km/h wird die Bestzeit auf dem Hahnenkamm gejagt, der Österreicher Michael Walchhofer erreichte 2006 gar 153 km/h. Wer trotz brennender Oberschenkel mit dem Zielsprung die letzte Hürde meistert, darf sich vom Promi-reichen Publikum bejubeln lassen.

So viel steht fest: Jeder Teilnehmer beendet die Abfahrt im Fliegen. Doch nicht immer befinden sich die Starter dabei auf ihren Skiern: „Wenn Sportler nach einem Sturz nicht selber weiterfahren können, werden sie mit dem Hubschrauber abtransportiert. Das ist die sicherste Bergung und hält die Unterbrechung möglichst kurz“, erklärt Dr. Helmuth Obermoser. Der Kitzbüheler übernahm 2018 die medizinische Leitung von seinem Vater: „In den letzten beiden Jahren sind wir – abgesehen von Brüchen und Kreuzbandrissen – zum Glück von schwerwiegenden Verletzungen verschont geblieben“, resümiert der Sportmediziner die zurückliegenden Events.

Das Karriereende fährt mit

Dass die Abflüge nicht immer so „glimpflich“ ausgehen, zeigt ein Blick in die Vergangenheit der Streif, selbst die Online-Enzyklopädie Wikipedia führt ein eigenes Kapitel mit „schweren Stürzen“ auf. 2011 verlor der Österreicher Hans Grugger beim Trainingslauf in der Mausefalle die Kontrolle, stürzte mit dem Rücken hart auf die Piste und blieb zunächst regungslos liegen. Mit schweren Kopf- und Brustverletzungen wurde der frühere Juniorenweltmeister nach einer Not-Operation ins künstliche Koma verlegt, rund ein Jahr später beendete Grugger seine Karriere. Zwei Jahre zuvor zog sich der Schweizer Daniel Albrecht beim Zielsprung eine schweres Schädel-Hirn-Trauma zu und lag mehr als dreieinhalb Wochen im Koma.

Um die Sportler schnellstmöglich zu versorgen, sind an den gefährlichsten Stellen der Strecke insgesamt zehn Ärzte positioniert. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Bergwacht eilen sie mit Steigeisen ausgerüstet zum verunglückten Teilnehmer. „Wenn es zu einem Unfall mit schweren Verletzungen kommt, stehen nicht die Diagnosefindung und Behandlung im Vordergrund, sondern die Schmerzstillung und Transportfähigkeit“, erklärt Dr. Obermoser. Ein Notarzt befindet sich im Hubschrauber und übernimmt die Versorgung auf dem Weg ins Krankenhaus. Von dem Personal an der Strecke ist höchste Aufmerksamkeit gefordert: „Ganz wichtig ist, dass wir den Sturz beobachten. Das ist oft die einzige Vorinformation, die wir haben, bevor wir zum Läufer kommen.“

Preisgeld und Promis

Für Dr. Helmuth Obermoser starten die Vorbereitungen auf das jährliche Highlight in Kitzbühel bereits Monate vor der Renn-Woche. Er muss zusammen mit seinem langjährigen Freund und Kollegen Dr. Simon Gasteiger, mit dem er sich die Verantwortung teilt, das 14-köpfige Ärzte-Team zusammenstellen. Während des Events gibt es tägliche Treffen zur Einsatzbesprechung, 30 Minuten vor dem Start von Training oder Wettkampf geht es auf die festgelegten Positionen. Neben der berüchtigten Abfahrt starten die besten Fahrer der Welt auch im Slalom und Super-G auf dem Hahnenkamm und kämpfen um insgesamt 725.000 Euro Preisgeld – dem höchsten auf der Welttour.

Abseits der mit rund zwei Millionen Liter Wasser vereisten Strecke spielt sich ein wahres Schaulaufen der Prominenz ab: Unter den erwarteten 90.000 Zuschauern werden sich auch in diesem Jahr einige Prominente mischen, zur legendären Weißwurst-Party im Stanglwirt strömen Gäste wie Arnold Schwarzenegger und Mario Adorf. „Kitzbühel ist eine kleine Stadt, darauf fiebert man natürlich hin“, beschreibt Dr. Obermoser die Stimmung kurz vor den Wettläufen. Für den Arzt steht trotz der Promi-Dichte der sportliche Aspekt im Vordergrund: „Ich hoffe auf spannende Rennen ohne schwere Stürze.“

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