VW T1-Bulli, Peter Gebhard, Reise, Europa, Tour, Bus

Der Männertraum: Mit 44 PS durch Europa – Teil 2

Fortsetzung (hier geht’s zum ersten Teil)

Peter Gebhard lebt den Männertraum: Mit einem Volkswagen T1 fährt der gebürtige Kieler abenteuerliche Routen rund um den Globus. Mens World by Eric:Barbier gibt er einen Einblick in eine atemberaubende Reise von Istanbul bis ans Nordkap.

Unerwartete Gefahr für das Duo

Ganz anders der vermeintlich harmlose Teilabschnitt zwischen Schweden und Norwegen. Ein Abend mit norwegischen Alkoholschmugglern endete fast in einem Unglück. Der Kopf des Schmuggler-Duos, ein vom fünfjährigen Gefängnis-Aufenthalt gezeichneter Mann, möchte mitten in der Nacht sturzbetrunken eine Spritztour mit Erwin machen. Panik auf dem einsamen Campingplatz: Keine Hilfe weit und breit. Peter ist bis heute überzeugt, dass er leichte Beute gewesen wäre. Insbesondere, da die Fotoausrüstung im Bulli ein attraktives Nebeneinkommen für die Schmuggler dargestellt hätte.

„Wir waren ein Sechser im Lotto. Man spürt die Gewalt – aber man weiß nie, ob sie wirklich ausbricht.“ Also reißt der Deutsche seine Frau per Handy aus dem Schlaf, gibt ihr Namen und Kennzeichen der Schmuggler durch – was den Norweger anscheinend abschreckt. Peters Stirn liegt bei diesen Erzählungen in Falten. Immer wieder fasst er sich an den Kopf, so als könnte er kaum glauben, dabei gewesen zu sein; nur um gleich darauf die Situation wieder abzukühlen, indem er die Grenzerfahrung mit einer sonoren Stimmlage als „coole Geschichte“ betitelt.

Die Gefahr ist ein steter Begleiter auf den Reisen rund um den Globus. Während eines früheren Panamericana-Projekts versuchte eine Jugend-Gang in Panama den passionierten Fußballspieler am helllichten Tag auszurauben und hielt seinem Assistenten eine Machete an die Kehle. Eine Narbe am rechten Unterarm erinnert Peter noch heute an den Vorfall. Sieben Tage später und über 7000 Kilometer entfernt am isländischen Wasserfall Gullfoss schlitterte er in die nächste brenzlige Situation. Gerade hatte der Fotograf sein Nachtlager aufgrund der eintretenden Dunkelheit in einer menschenleeren sanitären Einrichtung fertiggestellt und die Tür hinter sich abgeschlossen, als die Ruhe von aggressiven US-Soldaten unterbrochen wurde. Zur mentalen Vorbereitung auf den nahenden Irak-Krieg sollten sich die Männer alleine durch die lebensfeindliche Umgebung durchschlagen. Von Hunger und Kälte ausgezehrt, schaukelte sich die Stimmung hoch. Peter machte in der Nacht kein Auge zu und vermied jedes Geräusch, um nicht entdeckt zu werden. Erst als am Morgen die Sonne aufging und sich die Laune der Soldaten dank der geschenkten Schokolade einiger Touristen verbesserte, wagte er sich aus seinem Versteck.

Zurück zu den Wurzeln

Das alles hält ihn aber nicht von seiner Leidenschaft ab. Weil in den meisten Fällen alles gut geht. Und weil der „moderne Geschichtenerzähler“ in einer von Narzissmus geprägten Gesellschaft das seltene Talent hat, eine Brücke zu fremden Menschen zu schlagen. Er reist mit offenen Augen durch die Welt und will ein Zeichen gegen die zunehmende Intoleranz setzen. Peter gestikuliert ausdrucksstark, die Kuchengabel wie ein Zepter fest von der rechten Hand umschlungen, und spricht über die Gefahren der Verschlossenheit. Über ein Europa, das „auseinanderbröselt“. Und vergleicht Menschen mit Lemmingen, die ihren Smartphones blind folgen. Ein Navi benutzt er selten.

Jedes neue Projekt wird so auch zu einer Rückbesinnung auf die Anfänge seiner Abenteuerlust. Bereits als Kind war Peter besessen von dem alten Diercke-Atlas im Schrank seines Vaters, einem Kirchenmusiker. Akribisch zeichnete er fiktive Straßenneubauten ein und hielt die farblich gekennzeichneten Größenangaben der Städte auf dem aktuellen Stand. Er verfasste erste Abenteuergeschichten auf der heimischen Schreibmaschine, bevor es mit 16 ohne Eltern per Zug nach Island ging. Der Auftakt vieler Trips in den Norden, die zur Selbstfindung dienten. Und wo er auch seine Liebe zur Fotografie entdeckte.

20.000 Kilometer in drei Stunden

20 Uhr, Showtime. Zeit, die Geschichte weiterzuschreiben. Peter hat den Bulli-Pullover gegen ein kariertes Hemd eingetauscht und begrüßt seine Gäste persönlich am Eingang zum Kinosaal. In den nächsten rund drei Stunden wird er mit Vorurteilen brechen, gleichermaßen atemberaubende Landschaften und herzliche Persönlichkeiten in Landstrichen zeigen, um die die meisten einen großen Bogen machen würden. Und berichten, wie schwer es eigentlich ist, mit einem über 40 Jahre alten Gefährt fast 20.000 Kilometer durch Europa zu reisen, ohne Servolenkung und mit Sicherheitsstandards, die man „knicken“ kann. Er wird von den vielfältigen Begegnungen und einem Dutzend Freundschaften erzählen, die während seines Bulli-Abenteuers entstanden: Zum Beispiel mit der Italienerin Carla, die in Triest einen Jazzclub eröffnete und beim Anblick Erwins die Fahrer direkt zu einem Drink einlud; Robert in Albanien, bei dem er spontan Unterschlupf fand; Walter Frankenstein, der im Berliner Untergrund als Jude im Nazi-Regime überlebte und T2-Bulli-Fahrer aus Baden-Baden, die er zufällig am Nordkap traf.

Der Stundenzeiger auf der Uhr hat die 23 bereits überschritten, als die letzten Zuschauer den Saal verlassen, natürlich verabschiedet vom Gastgeber. Aufgrund des limitierten Platzes im Foyer und der stoischen Ruhe der einzigen Kassiererin beim Ausschenken der Getränke wurde die zwischenzeitliche Pause verlängert, was den Zeitplan über den Haufen warf.

Peter Gebhard hält sich an solchen Kleinigkeiten nicht auf, für ihn zählt das Feedback der Gäste. Und das fällt positiv aus. Am folgenden Tag wird er wieder nach Paderborn fahren. Dahin, wo er seinen Heimathafen gefunden hat – im Gegensatz zu seinen vielen Kollegen, die überall und nirgendwo zuhause sind. Neulich hat die Familie die städtische Wohnung mit Garten gegen Berge in Südtirol eingetauscht. Nichts Extremes, das braucht Peter im Urlaub nicht. Er ist kein Adrenalin-Junkie.

„Ich bin kein Masochist“

Doch die Ruhe trügt abermals. Die nächsten Projekte mit Erwin sind bereits in Planung. Auch wenn die geringe Motorleistung keine schnellen Verbindungen von A nach B zulassen. Peter, im Alltag mit einem T5-Bulli gerne auch mal flotter unterwegs, muss sich bei jedem Trip an die Entschleunigung gewöhnen. „Zu Anfang leidet man. Aber wenn ich nur leiden würden, würde ich das nicht mehr machen – ich bin ja kein Masochist.“ Allein die Vorbereitungen der Fahrten sind unglaublich umfassend, gemeinsam mit Live-Shows hat der Fotograf nicht selten erst nach 16 Stunden Feierabend. „Wenn ich diese Arbeit für jemand anderes ausüben müsste, wäre ich schon längst tot.“ Was treibt ihn dann immer wieder aufs Neue an? „Ich bekomme von den Menschen, die sich mir öffnen, unglaublich viel zurück. Das ist alles in mir drin, das macht mich reich.“

Erlebe Peter Gebhard live auf seiner Tour: Alle Termine findest du hier.

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